Offener Brief der Seebrücke an die Oberbürgermeisterin Frau Pötter

An die
Oberbürgermeisterin
Katharina Pötter
Rathaus
Osnabrück

Osnabrück, 16.01.2022

Offener Brief

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,

der Rat der Stadt Osnabrück hat am 13.07.2021 mit großer Mehrheit beschlossen:

  1. Die Stadt Osnabrück wird Mitglied im „Bündnis Städte Sicherer Häfen“ und wird sich dort
    aktiv einbringen.
  2. Die Stadt Osnabrück macht seine Rolle als „Sicherer Hafen“ öffentlichkeitswirksamer
    bekannt, u.a. durch eine prominente Darstellung auf der städtischen Webseite und in
    anderen Medien.
  3. Die Stadt Osnabrück beabsichtigt – wie viele tausend Spender*innen – die Übernahme
    einer Patenschaft für das Seenotrettungsschiff „Sea Eye 4“, dessen Kauf von vielen
    gesellschaftlichen und kirchlichen Organisationen auch aus Osnabrück ermöglicht
    wurde, für zwei Jahre in Höhe von jährlich 5.000 Euro. Die Verwaltung wird beauftragt, die
    rechtlichen Rahmenbedingungen für eine solche Spende zu prüfen.

Der Beschluss vom 13.07.21 war ein weiterer Schritt, um die Entscheidung des Rates vom 28.08.2018, die Stadt zum „Sicheren Hafen“ zu erklären, mit Leben zu füllen. In Bezug auf die finanzielle Unterstützung des Seenotrettungsschiffs Sea-Eye 4 wurde die Verwaltung beauftragt, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu prüfen.

Die Seebrücke Osnabrück, eine Initiative Osnabrücker Bürger*innen, die sich seit 2018 für die Unterstützung von Menschen auf der Flucht und besonders für die Seenotrettung engagiert, hatte sich für diesen Beschluss eingesetzt und über die große Zustimmung im Rat sehr gefreut.

Wir sind nun empört und äußerst irritiert, dass ein halbes Jahr später noch keiner dieser Beschlüsse von der Verwaltung umgesetzt ist. Ganz im Gegenteil müssen wir feststellen, dass die Verwaltung in einer Vorlage für die Sitzung des Sozial- und Gesundheitsausschusses am 19.01.22 die finanzielle Unterstützung für die Sea-Eye 4 mit einer offensichtlich willentlichen Missinterpretation des Ratsbeschlusses ablehnt. Die Verwaltung wertet in ihrer Stellungnahme die geplante Unterstützung als (Teil)Erwerb eines Vermögensgegenstandes, der nach dem niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz nicht erlaubt sei.

Mit einem einfachen Besuch des Internets hätte man allerdings feststellen können, dass dieses Schiff offensichtlich nicht mehr gekauft, umgebaut und überführt werden muss. Die Sea-Eye 4 wurde im Februar 2021 in Rostock getauft, ist seit Frühling 2021 im Seenotrettungseinsatz im Mittelmeer und hat seitdem mehrere Hundert Menschen aus Seenot gerettet. Die finanzielle Unterstützung ist jedoch für die regelmäßigen Rettungseinsätze notwendig. Es hätte der Verwaltung klar sein müssen, dass es sich bei einer Spende ohnehin nicht um den Erwerb eines Vermögensgegenstandes handeln kann.

Leider müssen wir diese Haltung inzwischen als skandalöse Torpedierung und Missachtung eines Ratsbeschlusses und unseres bürgerschaftlichen Engagements verstehen. An eine versehentlich falsche Interpretation können wir nicht mehr glauben. Hinzu kommt, dass es inzwischen Beschlüsse verschiedener Städte, Gemeinden und Landkreise in ganz Deutschland und Niedersachsen zur finanziellen Unterstützung von Rettungsmissionen verschiedener Schiffe gibt. Der Landkreis Lüneburg hat erst kürzlich die rechtliche Auskunft vom niedersächsischen Innenministerium erhalten, dass eine geplante finanzielle Unterstützung des Rettungsschiffs Ocean Viking mit bis zu 100.000 Euro nicht zu beanstanden ist. Es wäre sicherlich auch für die Osna-brücker Verwaltung leicht möglich gewesen, in dem halben Jahr seit Beschlussfassung entsprechende rechtliche Auskünfte einzuholen.

Wir fordern Sie hiermit öffentlich auf, die skandalöse Verschleppung und Blockade des Ratsbeschlusses aufzugeben und ihn endlich in allen Teilen umzusetzen.

Hochachtungsvoll

Michael Bünte
i.A. Seebrücke Osnabrück

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