#WirHabenPlatz – Eine Rede vor leeren Stühlen

Seebrücke stellt 100 leere Stühle vor das Rathaus

Samstag, 7. November: Mit dem symbolischen Aufstellen von 100 Stühlen vor dem Rathaus und einer „Rede an die Abwesenden“ protestierte der lokale Ableger der Seebrücke-Bewegung gegen das andauernde Sterben im Mittelmeer, das Elend in den Lagern und die Entrechtung von Menschen auf der Flucht. Die Stühle blieben leer. Sie waren reserviert für diejenigen, die die europäischen Regierungen und ihre Verbündeten ertrinken lassen und in unwürdigen Camps gefangen halten. Dabei wäre hier mehr als genug Platz. Mit der Aktion forderte die Seebrücke Osnabrück die Aufnahme und den Schutz dieser Menschen, die Abschaffung des völlig unsolidarischen Dublin-Systems und die längst überfällige Schaffung sicherer Fluchtwege. Diesen Forderungen verlieh die Schauspielerin Christina Dom mit ihrer „Rede an die Nicht-Anwesenden“ Ausdruck.
Dazu gab der Seebrücke Aktivist Jonathan einen Einblick in die Verhältnisse in Nordfrankreich. Er hat dort selbst erlebt wie es den Menschen, die von dort die Fahrt über den Kanal nach Großbritannien versuchen wollen, ergeht. Mitten in Europa. Hier ist der Bericht…..


Rede an die Nicht-Anwesenden

Ich begrüße Sie – in der Friedensstadt Osnabrück!

Diese 100 Stühle sind für Sie reserviert – Sie, die Sie nicht rein gelassen werden in die Festung Europa.

Aber trotzdem  werde ich diese Rede halten – an Sie, die Nicht-Anwesenden, die schmerzlich Vermissten. Und obwohl Sie meine Worte wahrscheinlich nie hören werden.

Wenn ich in den Nachrichten von Ihnen höre, von der Brandkatastrophe auf Lesbos, von dem Einsatz von Tränengas und Gummigeschossen gegen Sie und Ihre Kinder an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland ,von Ihrem Überlebenskampf auf den Straßen von Athen ,dann frage ich mich: woher nehmen Sie die Kraft, um das alles auszuhalten?

Und ich stelle mir vor, wie ich damit zurecht käme…

Jeden Tag Sorge haben, dass ich nicht genug Trinkwasser für mich und meine Kinder auftreiben kann.    Angst, dass ich nachts auf dem Weg zur Toilette überfallen werde.    

Angst vor der Kälte nachts. Angst vor dem Winter… Angst krank zu werden. Ekel vor dem Müll und dem Ungeziefer, Angst vor den Leuten, die ausrasten…

Nachdem Moria abgebrannt war, wurden Sie gezwungen, in das schnell aufgebaute Zeltlager Moria 2 zu gehen. In den ersten Tagen hatte Sie keine Toiletten, obwohl schon mehrere 1000 Menschen dort zusammengepfercht waren!

Sie hatte nur Meereswasser, um  sich zu waschen.

Die Soldaten waren noch dabei das Gelände nach Blindgängern abzusuchen, während Ihre Kinder zwischen den Zelten herum rannten…

Ihre 10 jährige Tochter ist noch keinen einzigen Tag ihres Lebens in einer Schule gewesen…

Warum tut man Ihnen das an?

Es ist doch schon schlimm genug, dass Sie in Ihrem Heimatland um Ihr Leben fürchten mussten.

Warum  werden Sie bekämpft  auf Ihrer Flucht? Was hat Seehofer für ein Problem?

Wenn er schon nicht in der Lage ist sich vorzustellen, dass Menschen sich für Menschen in Not einsetzen möchten – auch über Ländergrenzen hinweg – dann könnte er doch zumindest – ganz eigennützig – daran denken, dass „ eine Hand die andere wäscht“. 

Was ich damit meine? Nun, es ist doch so offensichtlich, dass Deutschland dringend auf den Zuzug von jungen Menschen angewiesen ist. Herr Spahn sucht händeringend junge Leute, die im Pflegebereich arbeiten wollen. Die Handwerkskammer startet eine Werbekampagne nach der anderen, um Ausbildungsplätze besetzen zu können. Der Fachkräftemangel bremst schon so manche Firma in ihrer Entwicklung aus.

Wer soll 2050 unsere Renten bezahlen, wenn – ohne Migration – die Zahl der Erwerbstätigen um 15 Millionen geschrumpft ist und die Zahl der Rentenempfänger  sich um 15 Millionen vergrößert hat? Wir bräuchten einen Wanderungsaldo von 400.000 Menschen pro Jahr, um dies zu verhindern. Die Zuwanderung aus europäischen Ländern wird in den nächsten 30 Jahren rapide abnehmen und nur noch eine kleine Rolle spielen. Wir sind angewiesen auf Menschen von außerhalb der EU!

Warum ich Ihnen das erzähle? Ich will Ihnen ganz deutlich sagen: wir haben Platz! Wir wollen, dass Sie und Ihre Kinder hier in Sicherheit leben können – das ist einfach nur selbstverständlich.

Und es geht dabei nicht um Almosen oder unverbesserliches Helfersyndrom.

Wir wünschen uns, dass viele von Ihnen wirklich eine neue Heimat bei uns finden und langfristig hier leben wollen.

Wir hoffen, dass Sie beruflich hier Fuß fassen  – trotz all der Steine, die Ihnen Seehofer und diverse Menschen in der Ausländerbehörde in den Weg legen.

Wir wollen Sie ganz praktisch unterstützen beim Sprache lernen.

Wir freuen uns darüber, dass unsere Gesellschaft bereits bunter und vielfältiger geworden ist durch Menschen aus Ihrer Heimat – und wir wünschen uns inständig, dass auch Sie den Weg hierher bald schaffen!

Ich wünsche mir, dass alle,  die mir jetzt zuhören, sich einen Flyer mitnehmen.

Ich wünsche mir, dass sie die kleine Broschüre von ProAsyl, die da hinten auf dem Tischchen liegt, lesen – und dass alle sich Gedanken machen, wie sie Ihnen, liebe Nicht-Anwesende, auf Ihrer Flucht hier her helfen können.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

#WirHabenPlatz

**abgesagt** Wir haben Platz – Sichere Fluchtwege jetzt! Protest am Samstag, den 14.3. um 5 vor 12 Uhr, Theatervorplatz Osnabrück

Liebe Unterstützer*innen der Seebrücke,
sehr geehrte Damen und Herren,

aufgrund der Entwicklung des Coronavirus und der aktuellen Empfehlungen zur Absage größerer Veranstaltungen draußen und drinnen hat sich die Seebrücke Osnabrück schweren Herzens entschlossen, die geplante Protestveranstaltung für Samstag abzusagen.

Mit einer kleinen Gruppe werden wir auf dem Theatervorplatz ab „fünf vor zwölf“ eine Mahnwache veranstalten.

Wir bitten Sie: Bleiben Sie am Ball und engagieren Sie sich weiterhin für sichere Fluchtwege. #WirHabenPlatz!

Mit freundlichen Grüßen,

Seebrücke Osnabrück

Felix-Nussbaum-Haus

Wir beobachten eine beispiellose Eskalation an den europäischen Außengrenzen.

  • Die Türkei versucht, die EU mit der Öffnung der Grenze zu erpressen – mit Menschen, die sich in der Hoffnung auf Schutz in Europa auf den Weg machen.
  • Das griechische Militär hält hilfesuchende Menschen mit Wasserwerfern, Blendgranaten, Gummigeschossen und Schusswaffen von der Grenze fern. Versuchen Menschen auf dem Seeweg nach Europa zu fliehen, droht ihnen Griechenland mit dutzenden Kriegsschiffen. Schaffen sie es bis Lesbos, werden sie von Rechtsradikalen aus Griechenland, Deutschland und anderen europäischen Ländern angegriffen.
  • Die Präsidentin der EU Kommission, von der Leyen, unterstützt Griechenlands Politik. Der Vorsitzende der konservativen Parteien im Europaparlament, Manfred Weber, spricht von einem ‚kollektiven Angriff‘ auf Europa. Die EU will die griechische Grenze mit allen Mitteln schützen. Menschenrechte spielen keine Rolle mehr.
  • Die Regierungskoalition in Berlin blockiert weiterhin erste unbürokratische Hilfsmaßnahmen mit dem Hinweis auf die notwendige Ordnung. Doch nach vielen Jahren haben weder unsere Regierung noch die EU es geschafft, ordentliche Prozesse zu entwickeln. Derweil verschlimmert sich die Lage in den hoffnungslos überfüllten Lagern auf den Inseln täglich.
  • Schutzsuchende Menschen werden wie eine angreifende, gefährliche Masse behandelt. Und dies alles drei Wochen nach den rassistischen Anschlägen in Hanau. Europa erlebt einen neuen Albtraum.

#WirHabenPlatz

Diese Entwicklungen sind eine absolute Schande für Europa. In Deutschland steht die Infrastruktur zur Aufnahme von geflüchteten Menschen bereit. 140 Städte und Kommunen wollen helfen und haben sich zu sicheren Häfen erklärt. Dies wird von der Bundesregierung blockiert. Tausende Ehrenamtliche engagieren sich für ein gelingendes Ankommen.

Unsere Antwort auf diese Barbarisierung und den rechten Terror in der EU kann nur die Gesellschaft der Vielen und unsere Solidarität sein – Solidarität mit Menschenleben. Gegen Ohnmacht hilft nur das eine: entschlossen handeln!

Wir fordern:

Sofortige Hilfs- und Schutzmaßnahmen für die Flüchtlinge an der türkisch-griechischen Grenze.

Sofortige Schließung der Lager und Aufnahme von den griechischen Inseln durch eine Koalition der Willigen.

Schluss mit den kriegerischen Parolen und Handlungen. Wir sind nicht im Krieg!

Wir rufen auf zum öffentlichen Protest am Samstag, den 14.3. um 5 vor 12 Uhr, Theatervorplatz Osnabrück

Flyer zum Download