Offener Brief an die Landesaufnahmebehörde, das Landesinnenministerium und die Landesregierung
Unerträgliche Situation in Bramsche-Hesepe: Asylsuchende schlafen in unbeheizten Zelten
Das Problem ist nicht neu: Geflüchtete, Unterstützer*innen und Aktivist*innen kritisieren die Art und Weise der Unterbringung im Flüchtlingslager Bramsche-Hesepe schon seit Jahren. Zwar wurde das Lager 2014 in eine Erstaufnahmeeinrichtung umgewandelt, damit reduzierte sich die verpflichtende Aufenthaltsdauer auf drei Monate – dennoch gibt es immer noch zahlreiche Menschen, die deutlich länger in der Einrichtung leben müssen.
Mit der seit etwa zwei Jahren deutlich zunehmenden Anzahl Asylsuchender in Deutschland infolge weltweiter Krisen stieg auch die Belegungszahl in Bramsche-Hesepe. Schon seit längerer Zeit behilft sich die Landesaufnahmebehörde mit Containern. Die Turnhalle, Schulungsräume und mittlerweile selbst Flure wurden zu Schlafstätten für Menschen, die bei uns Schutz suchen, indem sie das Grundrecht auf Asyl in Anspruch nehmen. Symptom eines schon länger andauernden Missstands: Bramsche-Hesepe ist seit mindestens zwei Jahren konstant überbelegt.
Im Sommer 2015 besuchte Landesinnenminister Boris Pistorius die Erstaufnahmeeinrichtung in Bramsche-Hesepe und kündigte Entlastung an. Eingetreten ist das Gegenteil. Die Lage vor Ort ist entsetzlich. Asylsuchende müssen in unbeheizten Zelten schlafen – bei Temperaturen, die in der Nacht bis zum Gefrierpunkt fallen. Innenminister Pistorius machte sich zuletzt bei einem Pressetermin mit Til Schweiger dafür stark, „Vorzeige-Flüchtlingsheime“ in Niedersachsen einzurichten. Hier ging es um die Einrichtung von Fitness- und Schulräumen in der Erstunterkunft in Osnabrück, Man ist versucht sich die Frage zu stellen, ob es hier lediglich ums eigene Image ging – denn aktuell ist die Unterbringung von geflüchteten Menschen in Niedersachsen nicht vorzeigbar, sondern beschämend. Und Bramsche-Hesepe ist ein trauriges Beispiel dafür.
Ziel muss sein, die Aufenthaltsdauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen so kurz wie möglich zu halten. Solange die Landesregierung dies nicht schafft, muss wenigstens für eine menschenwürdige Unterbringung in den Lagern gesorgt werden. Dazu gehört auch, allein reisende Frauen in geschützten Räumen unterzubringen und für abschließbare und sichere Sanitäranlagen für Frauen zu sorgen.
Wir fordern deshalb die Landesaufnahmebehörde, das Landesinnenministerium und die Landesregierung auf: Schaffen Sie endlich eine menschenwürdige Unterbringung für Asylsuchende!
Maria Braig
für den
Exil e.V. – Osnabrücker Zentrum für Flüchtlinge Osnabrück, 14.10.2015
Hunderte von Menschen hatten sich in der Nacht vom 12. auf den 13. Mai vor der Niedersächsischen Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Bramsche-Hesepe versammelt. Die Einen – eine Gruppe von ca. 30 Kosovaren, um abgeschoben zu werden. Die Anderen – ebenfalls im Lager untergebrachte Geflüchtete sowie Aktivist_innen und Unterstützer_innen aus Osnabrück und Umgebung, um Bekannte und Freund_innen zu verabschieden, die Abzuschiebenden nicht allein zu lassen und durch eine friedliche Mahnwache ein Zeichen zu setzen.
Osnabrücker_innen verhindern für gewöhnlich Abschiebungen und so fühlten sich viele der Anwesenden hilflos und unwohl, als sie nur zusehen konnten, wie die Abzuschiebenden ihr Gepäck in den bereitstehenden Bus luden, diesen bestiegen und schließlich fortgefahren wurden. Die gemeinsame nächtliche Zeit wurde dennoch genutzt – für den Vortrag einer Stellungnahme No Lagers u.a. zu den deutschen Scheinasylverfahren für kosovarische Menschen und die mit der Unantastbarkeit der menschlichen Würde kaum vereinbare Lagerunterbringung (siehe Anhang). Auch ergriffen Lagerbewohner die Möglichkeit, ihre Kritik an der Situation im Lager und Worte zu ihrer aussichtlosen Situation öffentlich kund zu tun.
Die Anwesenden beschäftigte außerdem Folgendes: Nachdem No Lager Osnabrück zu einer Mahnwache anlässlich der Massenabschiebung in den Kosovo aufgerufen hatte, bezog das Niedersächsische Innenministerium Stellung: Die Kosovaren würden nicht abgeschoben, sondern „das Angebot der freiwilligen Ausreise“ nutzen (www.noz.de/lokales/bramsche/artikel/574655/no-lager-plant-nacht-mahnwache-in-hesepe). Setzt Freiwilligkeit nicht die Gelegenheit voraus, sich zwischen verschiedenen Optionen entscheiden und ein Angebot ablehnen zu können? Für die in Lagern unter katastrophalen Bedingungen lebenden Kosovaren, die, nachdem ihre Asylanträge abgelehnt wurden, wissen, dass die deutsche Politik und Verwaltung sie nicht wollen und ein Leben in Deutschland nicht möglich ist (siehe dazu auch den sehr informativen Artikel „Sonderverfahren für Balkanier“ aus der taz: www.taz.de/Asyl-in-Deutschland/!159810), bedeutet ein Widersprechen der „freiwilligen Ausreise“ Kürzung oder Streichung der Sozialleistungen sowie eine Wiedereinreisesperre in die EU von bis zu 15 Jahren. So entscheiden sich dann viele, den Bus zurück in das Herkunftsland „freiwillig“ zu besteigen. Für uns bleiben es Abschiebungen.
No Lager Osnabrück bedankt sich bei allen Unterstützer_innen der Mahnwache sehr. Es ist gut zu sehen, dass vielen Menschen nicht egal ist, wie mit ihren Mitmenschen umgegangen wird. Durch unsere friedliche Mahnwache haben wir einmal mehr am deutschen Asylsystem kratzen können, dessen Verbesserung wir an zahlreichen Stellen zu fordern nicht müde werde.
Und es geht weiter: Am kommenden Donnerstag, den 21.5. laden wir alle Interessierten ein, sich über die geplante Asylrechtsverschärfung zu informieren, die im Juni/Juli vom Bundestag beschlossen werden soll. Die Infoveranstaltung findet um 17 Uhr in der Universität Osnabrück (Seminarstraße 20, Raum 15/114, EW-Gebäude) statt.
Ein Artikel der Neuen Osnabrücker Zeitung sowie ein TV-Beitrag os1tvs zu Massenabschiebung und Mahnwache: www.noz.de/lokales/bramsche/artikel/574880/mahnwache-vor-der-landesaufnahmebehorde-in-bramsche#gallery&0&0&574880
NO LAGER OSNABRÜCK