Aktion: Jutebeutel gegen Vorurteile

20151114_115556Am Samstag 19.12.15 wird es zum zweiten Mal einen Stand geben an dem Aktivisten*innen „Jutebeutel gegen Vorurteile“ verschenken.

Dabei handelt es sich um Taschen, die mit Sprüchen bedruckt wurden, welche fremdenfeindliche Parolen und oft zitierte Vorurteile mit Fakten entkräften. Die Idee dabei: der zukünftige Jutebeutelträger wirbt somit für eine positive Botschaft und einen guten Umgang mit den Geflüchteten.

Die Aktivisten*innen verteilen auch Infomaterialien zur Thematik Flucht und Fluchtursachen und hoffen so ins Gespräch mit vielen Osnabrücker*innen zu kommen.

Dieser Stand ist eine Aktion einer Initiative, die aus dem Bündnis gegen Abschiebungen entstanden ist. Also kommt vorbei und holt euch euren Jutebeutel ab! 10:00 bis 14:00 Uhr | Große Straße/Jürgensort

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Infomail des Bündnis gegen Abschiebungen. Abschiebungen werden in Zukunft nicht mehr angekündigt.

Liebes Bündnis gegen Abschiebungen Osnabrück

Abschiebungen werden in Zukunft nicht mehr angekündigt. Dies verändert
die Arbeit unseres Bündnisses tief greifend. Wir haben uns deshalb am
vergangenen Donnerstag (08.10.) zusammengefunden, um darüber
nachzudenken, wie wir uns weiterhin mit und für Geflüchtete in Osnabrück
einsetzen können, wie wir die gebündelte Energie dieses Bündnisses
nutzen können, um dieser derzeitig menschenverachtenden
Flüchtlingspolitik etwas entgegenzusetzen.

Wir haben viele kreative Ideen gesammelt, wie wir uns zukünftig bei
Abschiebungen solidarisch mit den geflüchteten Menschen zeigen können.
Damit alle diese Ideen auch in die Tat umgesetzt werden können, haben
wir Arbeitsgruppen gebildet. In einem Monat wird es ein weiteres Treffen
geben, bei dem die Arbeitsgruppen über den Stand ihrer Arbeit berichten.
Ein Datum wird noch bekannt gegeben.

Für alle, die beim letzten Treffen nicht teilnehmen konnten, kommen nun
die wichtigsten Infos zu den neuen Regelungen und Gesetzesentwürfen per
Mail:

 
Neue Regelung in Niedersachsen
In Niedersachsen gilt seit dem 29. September 2015 folgende neue Regelung:
– Abschiebungen müssen für Asylbewerber, die sich weniger als 18 Monate
in Deutschland aufhalten, nicht mehr angekündigt werden. Ausgenommen
sind Familien, Alleinerziehende mit minderjährigen oder schulpflichtigen
Kindern. In diesen Fällen wird die erste Abschiebung angekündigt, die
folgenden jedoch nicht.
– Nachtabschiebungen zwischen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr morgens (4.00 Uhr
im Sommer) werden weiterhin angekündigt.
(siehe Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und
Sport vom 29.09.2015: „Aufenthaltserlaubnisse für Ausländerinnen und
Ausländer, Ausweisung, Abschiebung. Ergänzende verfahrensmäßige Vorgaben
bei kurzzeitigem Aufenthalt zur Durchführung des Rückführungs- und
Rücküberstellungsvollzugs (Abschiebung) und zur Durchführung des
Härtefallverfahrens nach § 23 a des Aufenthaltsgesetzes“)

Den Worten folgten am 05.10.15 bereits Taten. Um 02:00/3:00 Uhr Nachts
wurde ein iranischer Flüchtling in Garrenburg von der Polizei aus dem
Schlaf gerissen. Seine Abschiebung wurde am Flughaben abgebrochen, da
der herzkranke Mann über Schmerzen in der Brust klagte. Trotz seiner
Herzkrankheit wurde dem Mann eine „Flugreisetauglichkeit“ attestiert.
Den gesamten Bericht von Kai Weber (Flüchtlingsrat) findet ihr am Ende
der Mail.

Das neue „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“
Die Bundesregierung hat einen Gesetzesentwurf zum sogenannten
Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vorgelegt. Das Gesetz soll am 16.
Oktober 2015 vom Bundesrat verabschiedet werden und am 11. November 2015
in Kraft treten.
Folgende Inhalte sind für die weitere Arbeit unseres Bündnisses relevant:

Abschiebungen
– Nachdem die Frist für eine „freiwillige“ Ausreise abgelaufen ist, sind
Ausländerbehörden nicht mehr befugt Abschiebungen anzukündigen (siehe:
Art. 3, Nr. 9 im Gesetzentwurf –> Änderung von § 59 im AufenthG:
Androhung der Abschiebung).
– Unsicher ist, ob dies für alle gilt oder ob es hierbei auch
Einschränkungen gibt. Bitte schreibt uns eine Mail, wenn ihr dazu
näheres wissen solltet!

Sichere Herkunftsstaaten
– Albanien, Kosovo und Montenegro werden sichere Herkunftsstaaten–>
Menschen aus diesen Ländern haben nahezu keine Aussicht mehr auf ein
Asyl in Deutschland. Ihre Anträge sollen zügiger bearbeitet werden, um
schnellere Rückführungen zu ermöglichen (siehe: Art. 1, Nr. 34 im
Gesetzentwurf –> Änderung von Anlage II zu § 29a im Asylverfahrensgesetz ).

Residenzpflicht
– Alle Asylbewerber_innen können verpflichtet werden bis zu 6 Monate
(vorher waren es 3 Monate) in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu „wohnen“.
– Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten können verpflichtet werden bis
zum Ende ihrer Asylverfahren in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu
verbleiben (siehe: Art. 1, Nr. 15 im Gesetzentwurf –> Änderung von § 47
im AsylVfG).
– Bisher ist die Residenzpflicht, also das Verbot den Bezirk der
Ausländerbehörde zu verlassen, nach drei Monaten erloschen. Für
Menschen, die verpflichtet sind in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu
wohnen, gilt dies nicht mehr. Für sie gilt die Residenzpflicht solange
sie in den Einrichtungen leben müssen (siehe: Art. 1, Nr. 19 im
Gesetzentwurf –> Änderung von § 59a AsylVfG: Erlöschen der räumlichen
Beschränkung).

Arbeitsverbot
gilt für Asylbewerber_innen
– aus sicheren Herkunftsstaaten, solange ihr Asylverfahren läuft ,
– aus sicheren Herkunftsstaaten mit einer Duldung,
– mit einer Duldung, die ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen
nach Deutschland gekommen sind,
– mit einer Duldung, die nicht deportiert werden können aus Gründen, die
auf den/die Asylbewerber_in zurückzuführen sind (siehe Art 1, Nr. 20 im
Gesetzentwurf –> Änderung von § 61 im AsylVfG; Art. 3, Nr. 10 im
Gesetzentwurf –> Änderung von § 60a AufenthG ).

Sachleistungen statt Bargeld
– Wenn möglich sollen Asylbewerber_innen aus Erstaufnahmeeinrichtungen
Sachleistungen statt Bargeld erhalten.
– Auch Asylbewerber_innen in Gemeinschaftsunterkünften können
Sachleistungen erhalten (siehe: Art. 2, Nr. 3 im Gesetzentwurf –>
Änderung von § 3 im Asylbewerberleistungsgesetz: Grundleistungen).
– Dublin-Fälle erhalten nur noch Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs an
Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und
Gesundheitspflege. Diese Leistungen sollen sie als Sachleistungen
erhalten (siehe: Art. 2, Nr. 2 im Gesetzentwurf –> Änderung von § 1a im
Asylbewerberleistungsgesetz: Anspruchseinschränkung).

 

–Ein Bericht von Kai Weber (Flüchtlingsrat Niedersachsen)–

Unmittelbar nach der teilweisen Aufhebung des sog. Rückführungserlasses
durch das Land hat sich in Niedersachsen erstmals wieder eine
Abschiebung nach dem Muster „Überfall im Morgengrauen“ abgespielt, wie
dies auch unter dem ehemaligen Innenminister Uwe Schünemann üblich war.

Ohne jegliche Vorankündigung des Abschiebungstermins drangen sieben
Polizisten am 05.10.2015 rechtswidrig nachts um 02:00/03:00 Uhr mit
Generalschlüssel o.ä. (sie überwanden 2 Türen geräuschlos, ohne Spuren)
und Taschenlampen in eine Flüchtlingsunterkunft in Gnarrenburg ein und
rissen im Obergeschoss alle Iraner_innen aus dem Schlaf. In der
Unterkunft nahm die Polizei den iranischen Flüchtling B. fest, der in
der Eile und unter Stress noch nicht einmal seine Brille aufsetzen
konnte, um ihn nach Ungarn abzuschieben. Im Erdgeschoss wohnt eine
Mutter mit 3 Kindern, deren Angst nicht mehr verfliegt.

Erst am Flughafen Frankfurt wurde die Abschiebung gestoppt: Da der
herzkranke Iraner über Schmerzen in der Brust klagte, brach die
Bundespolizei die Abschiebung ab. B. ist kürzlich erfolgreich am Herzen
operiert worden, muss jedoch täglich blutverdünnende Medikamente nehmen
und eine regelmäßige Blutkontrolle machen lassen. Nach Aussagen der
Ausländerbehörde wurde vorab eine „Flugreisetauglichkeit“ festgestellt.
Die Untersuchungsergebnisse liegen und aber nicht vor, auch die
nachfragen des Anwalts blieben unbeantwortet. Der Flüchtling wurde nach
dem Abbruch der Abschiebung wieder nach Gnarrenburg zurückgebracht.

Der Flüchtlingsrat ist empört über diesen Umgang mit einem kranken
Flüchtling. Verantwortlich ist der Landkreis Rotenburg, der die
Abschiebung „in Amtshilfe“ durchführte – und darauf verzichtete, den
Abschiebungstermin vorher anzukündigen. Verantwortlich ist aber auch das
niedersächsische Innenministerium, das durch eine Revision des
„Rückführungserlasses“ solche Praktiken einer unangekündigten
Abschiebung wieder ermöglicht hat.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, mit welchem Recht und wie die
Polizei – ohne sich bei den Bewohner_innen durch Klingeln oder Klopfen
bemerkbar zu machen – nachts in die Flüchtlingsunterkunft eingedrungen
ist und die Bewohner_innen damit in Panik versetzt hat. Das
unangekündigte Eindringen in Unterkünfte ist ohne schwerwiedgenden
Anlass nicht zulässig: Ausdrücklich weist das MI die Ausländerbehörden
darauf hin, dass das „Sicherheits- und Ordnungsgesetz zu beachten“ sei.
Wörtlich heißt es in dem – noch gültigen – Erlass des MI:

„Die Ausnahmevoraussetzungen für das Betreten von Wohnungen zur
Nachtzeit (§24 Abs. 4 Nds. SOG) liegen in der Regel bei Abschiebungen
nicht vor. Auch ein Betretungsrecht nach § 24 Abs. 5 Nds. SOG ist im
Regelfall bei Abschiebungen nicht gegeben, da dies voraussetzt, dass
„der Eintritt erhebliche Gefahren vermittelt“… Sofern der Zeitpunkt
der Abholung noch in die Nachtzeit fällt, kann die Maßnahme nur
durchgeführt werden, wenn sich die Abzuschiebenden zur Verfügung halten.“

Das Beispiel macht deutlich, was uns erwartet, wenn der vorliegende
Gesetzentwurf zum „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“ unverändert in
Kraft tritt: Dort ist vorgesehen, dass Abschiebungen grundsätzlich nicht
mehr angekündigt werden dürfen. Der Flüchtlingsrat fordert das
Innenministerium auf, die teilweise Aufhebung des Rückführungserlasses
wieder zurückzunehmen, dem „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“ im
Bundesrat eine Absage zu erteilen und im Übrigen dafür Sorge zu tragen,
dass Abschiebungsversuche dieser Art sich nicht wiederholen.

Kai Weber