Beschluss
Um das Menschenrecht auf bezahlbares Wohnen umzusetzen sowie Boden und Wohnungen dem Zugriff der Finanzmärkte und der Spekulationen zu entziehen fordert Attac:
- Grund und Boden müssen grundsätzlich in öffentlicher Hand belassen werden,
- öffentliche und genossenschaftliche Wohnungsbestände sind zu fördern und auszubauen,
- Mieter*innen sollen an der Verwaltung von Wohnungen in städtischen und anderen Wohnungsbaugesellschaften auch durch entsprechende gesetzliche Vorgaben umfassend beteiligt werden,
- profitorientierte Wohnungsunternehmen, die gegen das Gemeinwohl verstoßen, sollen enteignet werden,
- die Wohnungsgemeinnützigkeit muss wieder eingeführt werden,
- eine strenge Mietpreisbremse ohne zeitliche Befristung auch nach Renovierungen und ein
- Mietpreisdeckel für Bestandsmieten müssen durchgesetzt werden.
Begründung:
Wohnen – die neue soziale Frage
Immer weniger Menschen können sich eine angemessene Wohnung leisten, weil ihre Einkommen weit weniger steigen als die Mieten. Das Menschenrecht auf Wohnen ist in Deutschland dadurch zunehmend infrage gestellt. Ein paar Zahlen machen dies deutlich:
- Von 1995 bis 2010 wurden in Deutschland eine Million öffentliche Wohnungen privatisiert.
- Während es Mitte der 1980er Jahre rund vier Mio. Sozialwohnungen gab, waren es 2017 nur noch 1,5 Mio.
- Von 2010 bis 2017 sind die Mieten in den deutschen Großstädten um 29 Prozent gestiegen. Insbesondere in attraktiven Städten wie Berlin haben sie sich innerhalb der letzten zehn Jahre fast verdoppelt.
- Nach Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe waren 2018 in Deutschland rund eine Million Menschen ohne Wohnung.
Ursächlich für die Misere: Wohnraum als Ware
Diese Entwicklung hat System. Wohnraum ist im Kapitalismus eine Ware, Grund und Boden überwiegend in Privateigentum. Gleichzeitig sind über 50 Prozent der Bevölkerung auf Mietwohnungen angewiesen. Mitte der 1980er Jahre konnten Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen noch ausreichend Wohnungen finden. Der Markt war stärker reguliert und die öffentliche Hand sorgte für ein hinreichendes Angebot an günstigen Wohnungen. Das hat sich grundlegend verändert und große Wohnungskonzerne wie Vonovia, Deutsche Wohnen und LEG nutzen dies aus. Sie wollen möglichst viel Profit aus ihren Immobilien erzielen.
Die Politik hat es ihnen in den letzten Jahrzehnten dabei immer einfacher gemacht. Der gemeinnützige Wohnungsbau wurde 1989 abgeschafft. Bund, Länder und Kommunen haben im großen Stil ihre Wohnungen an Immobilienkonzerne verkauft. Die Gesetze wurden so geändert, dass Vermögensverwaltungsgesellschaften in das Geschäft mit Wohnungen einsteigen und von den Privatisierungen profitieren konnten.
Hinzu kommt, dass für immer größer werdende Vermögensbestände Anlagemöglichkeiten gefunden werden müssen. Diese hohen Vermögensbestände sind politisch verursacht, durch die steuerliche Entlastung von Vermögenden und die Förderung privater Rentensysteme zulasten der öffentlichen Rente. Wohnraum ist für Anleger*innen als Betongold attraktiv und wird dadurch immer mehr zur Ware. Mieter*innen, sorgen so zwangsweise dafür, dass sich die Vermögen der Wohlhabenden vermehren.
Grundrecht auf Wohnen verwirklichen – den öffentlichen Wohnungsbestand ausbauen
In Deutschland gibt es keinen Mangel an Luxusappartements, es besteht ein Mangel an preisgünstigen Wohnungen für Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen in den wachsenden Städten. Boomregionen, in denen neue Arbeitsplätze entstehen und die Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten vorhalten, veranlassen Menschen aus ökonomisch abgehängten Regionen abzuwandern. Die Politik versagt beim Ausgleich der Regionen und der Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse, der Markt versagt bei der Bereitstellung von günstigem Wohnraum dort, wo er dringend benötigt wird. Marktkonforme Maßnahmen wie Wohngeld oder die Förderung von Wohneigentum durch Subventionen lösen das Problem nicht. Sie heizen das Geschäft mit Immobilien nur weiter an. Wir brauchen ein Umdenken, welches Wohnraum als Teil einer sozialen Infrastruktur begreift.
Voraussetzung für eine dauerhafte Lösung ist eine grundlegende Reform des Bodenrechts mit dem Ziel, dass Grund und Boden grundsätzlich in öffentlicher Hand bleibt und Privaten nur zur zeitweisen Nutzung überlassen wird. Damit hätte die öffentliche Hand deutlich mehr Gestaltungsspielraum und könnte die Bodennutzung besser den gesellschaftlichen Notwendigkeiten anpassen.
Die Kommunen müssen nicht auf eine solche Reform warten. Sie können schon heute ihre Grundstücke für den Bau von Wohnungen nutzen, statt sie an die Meistbietenden zu verkaufen. Oder sie können Boden in Erbpacht an Wohngenossenschaften vergeben. Selbst bei der Vergabe der Grundstücke an Immobiliengesellschaften ist es besser, diese in Erbpacht zu vergeben, statt zu verkaufen. Damit sichern sich die Kommunen ihren Einfluss auf die langfristige Nutzung der Flächen und verhindern Bodenspekulation.
Zudem müssen die Kommunen wieder mehr Wohnungen bauen. Wenn Kommunen selbst hinreichend Wohnungen besitzen, können sie diese preisgünstig anbieten und dämpfen dadurch den Anstieg der Durchschnittsmieten. Auch können und sollten ohnungsbaugesellschaften die Mieter*innen weitgehend beteiligen, beispielsweise über Mietbeiräte. Bei der Finanzierung sind Bund und Länder gefragt, die Kommunen zu unterstützen – beispielsweise über die Einnahmen aus progressiven Steuern. Da die Schuldenbremse ein Hindernis darstellt, wenn die Kommunen Kredite für den Wohnungsbau aufnehmen wollen, muss sie abgeschafft werden.
Als weiteres Mittel zur Verwirklichung des Grundrechts auf Wohnen werden derzeit Enteignungen diskutiert. Die großen Wohnungskonzerne Vonovia, Deutsche Wohnen und LEG waren in den letzten Jahren maßgeblich für den Anstieg der Mieten bei Geschosswohnungen verantwortlich. Sie haben dem Gemeinwohl geschadet, ihre Enteignung lässt sich insofern gut begründen.
Wohnungsgemeinnützigkeit wiedereinführen und Mietpreisbremse ausbauen
Der gemeinwohlorientierte Wohnungsbau sollte durch die Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit gestärkt werden. Sie würde kommunale und genossenschaftliche Bauträger steuerlich entlasten und den Bau von Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen fördern. Zwar würde der Staat dadurch Steuereinnahmen verlieren, gleichzeitig aber Wohngeld einsparen.
Die Mietpreisbremse ist bisher weitgehend wirkungslos geblieben. Sie muss zu einem wirklichen Instrument zur Dämpfung der Mieten ausgebaut werden. Die Möglichkeiten der Mieter*innen, sich gegen Mietsteigerungen zu wehren, muss verbessert und die Befristung der Mietpreisbindung sollte aufgehoben werden. Nur erforderliche Modernisierungen sollten auf die Mieten umgelegt werden können und auch bei umfassend modernisierten Wohnungen muss die Mietpreisbremse gelten. Damit wird die Verdrängung alteingesessener Mieter*innen nach Modernisierungen verhindert. Für Bestandsmieten braucht es einen Mietpreisdeckel.
Attac AG Kommunen
6. April 2019